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Gesunde Ernährung
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Gesunde Ernährung
Es geht ums Wohlbefinden, nicht ums Optimieren!
Sollen wir uns so ernähren, dass unser Körper möglichst toll aussieht, fit und leistungsstark wird? Nein!
Sollen wir so essen, dass Körper und Seele zufrieden sind? Ja!
Wunderdiäten mit 100-Prozent-Garantie, fantastisch-raffinierte Kochrezepte mit gefühlt 150 Zutaten (die unter Ausnutzung sämtlicher Herdplatten in etliche Töpfe und Pfannen gegeben werden) und „hocheffiziente“ Fitnessübungen, für die sich im Alltag so gut wie nie der richtige Zeitpunkt findet, haben eines gemeinsam: Sie sind UNREALISTISCH für den Alltag.
Silke Willms, Ernährungsexpertin der DAK-Gesundheit, weiß, dass die meisten Menschen im Grunde schon gesund leben möchten und auch wissen, was richtig ist. Schwierig sei aber, das, was richtig und wichtig ist, im Lebensalltag auch zu leben. „Das ist schade“, meint Silke Willms. Denn Essen kochen, Lebensmittel einkaufen und zubereiten gehören so elementar zum Leben wie Essen und Trinken. „Lebensmittel liefern Körper und Seele Energie. Körperzellen werden repariert und erneuert. Meine Nahrung trägt ihren Teil dazu bei, krank oder gesund und lebensfähig zu sein.“ Essen, so betont die Ernährungsexpertin, ist idealerweise immer eine Pause. Eine Pause zum Erholen. Eine Pause zum Kraftschöpfen. Eine Abwechslung von der Arbeit, der Autofahrt, der Wanderung, dem Lernen oder dem Alltäglichen. Immer in Ruhe. Nie mit einer „Nebenbeschäftigung“ – immer ohne Handy, Fernseher, Computer. Dadurch, dass wir heute immer und überall essen, hat das Essen in Form von bewussten Mahlzeiten, die nicht zuletzt ein wichtiger (Ruhe-)Anker im Alltag sind, seine Wertigkeit verloren, bedauert die Diplom-Ökotrophologin. „Dabei ist es so wohltuend, was wir essen und trinken zu sehen, zu riechen, zu fühlen, zu schmecken und zu merken, dass wir satt werden – am liebsten in Gemeinschaft mit anderen.“
Mit allen Sinnen essen
Diesen Gefühlen wieder mehr Raum zu geben ist wichtig, um zu erfahren, welche Mahlzeiten oder Lebensmittel satt und zufrieden machen. Oder welche Lebensmittel oder Arten der Zubereitung nicht so bekömmlich sind, weil man danach schnell wieder hungrig ist oder Bauchdrücken bekommt. Rohkost und Salat gelten oft als ein Muss, weil sie so viele Vitamine und Mineralien liefern. Wem rohes Gemüse aber nicht gut bekommt oder wem oft kalt ist, der sollte es mit lange gekochten oder gut gegarten Speisen versuchen. Oft sind sie bekömmlicher, weil sie leichter verdaut werden können.
Übrigens kann unser Körper aus gegarten Lebensmitteln die Nährstoffe besser aufnehmen als aus rohen, betont Silke Willms. „Die Zellen, in denen Nährstoffe stecken, werden durch das Garen aufgeschlossen, sodass Mineralien, Vitamine und Aromen besser aufgenommen werden können.“ Manche Gemüsesorten sind gekocht erst genießbar und lecker – Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Linsen, Rosenkohl, Grünkohl, Roggen, Weizen, Gerste zum Beispiel. Sie verändern auch Geschmack und Aroma. Gegart schmecken sie süßer und werden von Kindern eher akzeptiert. Aus gekochtem oder gebackenem Mehl/Getreide kann die Stärke schneller aufgenommen und zu Zucker abgebaut werden und steht uns dann als Energie zur Verfügung.
Nach der Traditionellen Chinesischen Medizin stillen gekochte Getreidebreie den Hunger nach Süßem. Sie liefern viel Energie, die langsam im Darm aufgeschlossen wird. Der Blutzucker steigt langsam, darum halten sie uns lange satt. Gekochter Brei aus Grieß, Hafer oder Reis fördert die Konzentration, nährt die Nerven. Breie können süß mit Apfelmus, Obst oder Marmelade zubereitet werden. Oder herzhaft mit Gemüsebrühe, gekochten Möhren oder Sellerie vom Vortag und etwas geriebenem Käse als Topping. Menschen, die anstrengende Vormittage vor sich haben, können sich mit einem wärmenden Brei am Morgen gut versorgen.
Die Erfahrung zeigt: Wer mit allen Sinnen isst, isst langsamer, kaut gründlicher, schmeckt mehr und ist nicht nur länger satt, sondern auch zufriedener. Genuss funktioniert mit Ruhe und Aufmerksamkeit, man könnte auch sagen: mit Respekt. „Ich muss mal eben schnell was essen“ klingt, wie es ist: „Müssen“ ist nie schön, und „schnell“ ist nie entspannend.
Ein weiterer Aspekt des WIE ist die Regelmäßigkeit. Mahlzeiten ausfallen zu lassen bedeutet Hunger und Nährstoffmangel. Die Folge: Unsere Energie schwindet, wir werden unkonzentriert, müde und gereizt. Die nächste Mahlzeit fällt dann häufig wahl- und maßloser aus als nötig. Regelmäßig bedeutet allerdings nicht für jeden dasselbe: Während sich der eine mit drei größeren Mahlzeiten pro Tag am wohlsten fühlt, braucht der andere eher regelmäßigen Energienachschub, beispielsweise in Form von drei Mahlzeiten plus zwei Zwischenmahlzeiten.
Hier lautet die Devise: Ausprobieren, am besten an jeweils zwei zusammenhängenden Tagen. Übrigens ist in beiden Fällen auch Naschen durchaus erlaubt. Allerdings sollten dafür keine Mahlzeiten ausfallen. Es wird empfohlen, innerhalb von 30 Minuten nach den Mahlzeiten zu naschen – ruhig auch Süßes oder Fettes –, weil der Zucker nicht so schnell ins Blut aufgenommen wird. Dauerndes Naschen über den Tag verteilt hält dagegen Blutzucker und Insulinspiegel hoch. Das kann bei Menschen mit Veranlagung zu Diabetes mellitus führen.
Snacks wie Äpfel, Buttermilch oder Trinkbrühe, gekochtes Gemüse, Rohkost wie Radieschen, Gurke oder Möhre, Tomatenstückchen oder Gewürzgurken haben nur einen geringen Einfluss auf den Blutzucker, sie können auch zwischendurch gegessen werden. Prinzipiell gilt: ALLE Lebensmittel sind erlaubt, NICHTS ist verboten – von allem ein wenig – von nichts zu viel.
Gesund essen muss dabei weder kompliziert noch zeitaufwendig sein, erläutert Silke Willms am Beispiel Kochen. Sicher, selbst kochen klingt erst mal nach Aufwand und tatsächlich sollte Zeit dafür eingeplant werden. „Kochen betrachte ich nicht als Vorarbeit zur Nahrungsaufnahme, sondern als Hobby, als Entspannungsübung, als Lebensstil, als Kultur. Kochen gehört zum Leben wie Essen und Trinken, die Menschheit hätte sonst nicht überlebt.“
Allerdings ist es kaum komplizierter, ein paar Kartoffeln in Wasser zu kochen und mit Butter (oder auch Quark) und Salz zu verzehren, als ein Fertiggericht auf die Herdplatte oder in den Ofen zu schieben. Auch Nudeln mit Olivenöl, Käse und ein paar Tomatenstückchen können unkompliziert zubereitet werden. Beide Möglichkeiten sind gesund, schmackhaft und unkompliziert. „Wenn man sich nicht von komplizierten Rezepten unter Druck setzen lässt, wird diese einfache Art des Selbstkochens im Alltag von ganz allein kreativer und trotzdem entspannt“, berichtet Silke Willms. Wer’s nicht glaubt, fragt am besten mal im persönlichen Bekanntenkreis nach, wer von denen, die im Alltag öfter selbst kochen, tatsächlich nach Rezepten aus Zeitschriften und Büchern kocht … Vermutlich sehr wenige.
Auch Lebensmittel aus dem Glas oder tiefgekühlt sind gut, wenn sie nicht zu hoch verarbeitet sind bzw. wenn ihnen nichts Unnötiges zugesetzt wird – zum Beispiel, wenn auf dem Etikett steht: „Bohnen, Wasser, Salz“. Die Ernährungsexpertin empfiehlt das Beispiel ihrer eigenen Großmutter. „Die hat immer gesagt: ‚Ich kaufe nichts, was mehr als fünf verschiedene Zutaten enthält, und auch nicht, wenn die Zutaten aus unaussprechlichen Zahlen- und Buchstabenkombinationen bestehen’.“
Zur Arbeit lässt sich ein belegtes Brot ebenso gut mitnehmen wie Rest-Gemüse oder eine Mahlzeit vom vorherigen Mittag- oder Abendessen – vielleicht gibt es sogar die Möglichkeit, sie vor Ort aufzuwärmen. Auch einen Wasserkocher gibt es in vielen Betrieben: Warum nicht einfach mal Bouillonwürfel mitnehmen? Zusammen mit einer heißen Tasse Brühe oder mit Gemüsesaft, der mit heißem Wasser verdünnt wird, schmeckt auch ein belegtes Brot fast wie eine warme Mahlzeit.
Zehn goldene Regeln – Was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt
Vollwertig essen und trinken hält gesund, fördert Leistung und Wohlbefinden. Wie sich das umsetzen lässt, hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in 10 Regeln formuliert:
Lebensmittelvielfalt genießen
Nutzen Sie die Lebensmittelvielfalt und essen Sie abwechslungsreich. Wählen Sie überwiegend pflanzliche Lebensmittel. Kein Lebensmittel allein enthält alle Nährstoffe. Je abwechslungsreicher Sie essen, desto geringer ist das Risiko einer einseitigen Ernährung.
Gemüse und Obst – nimm „5 am Tag“
Genießen Sie mindestens 3 Portionen Gemüse und 2 Portionen Obst am Tag. Zur bunten Auswahl gehören auch Hülsenfrüchte wie Linsen, Kichererbsen und Bohnen sowie (ungesalzene) Nüsse. Gemüse und Obst versorgen Sie reichlich mit Nährstoffen, Ballaststoffen sowie sekundären Pflanzenstoffen und tragen zur Sättigung bei. Gemüse und Obst zu essen senkt das Risiko für Herz-Kreislauf- und andere Erkrankungen.
Vollkorn wählen
Bei Getreideprodukten wie Brot, Nudeln, Reis und Mehl ist die Vollkornvariante die beste Wahl für Ihre Gesundheit. Lebensmittel aus Vollkorn sättigen länger und enthalten mehr Nährstoffe als Weißmehlprodukte. Ballaststoffe aus Vollkorn senken das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, Dickdarmkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Mit tierischen Lebensmitteln die Auswahl ergänzen
Essen Sie Milch und Milchprodukte wie Joghurt und Käse täglich, Fisch ein- bis zweimal pro Woche. Wenn Sie Fleisch essen, dann nicht mehr als 300 bis 600 g pro Woche. Milch und Milchprodukte liefern gut verfügbares Protein, Vitamin B2 und Calcium. Seefisch versorgt Sie mit Jod und fetter Fisch mit wichtigen Omega-3-Fettsäuren. Fleisch enthält gut verfügbares Eisen sowie Selen und Zink. Fleisch und insbesondere Wurst enthalten aber auch ungünstige Inhaltsstoffe.
Gesundheitsfördernde Fette nutzen
Bevorzugen Sie pflanzliche Öle wie Oliven-, Rapsöl und daraus hergestellte Streichfette. Vermeiden Sie versteckte Fette. Fett steckt oft „unsichtbar“ in verarbeiteten Lebensmitteln wie Wurst, Gebäck, Süßwaren, Fast-Food und Fertigprodukten. Pflanzliche Öle liefern, wie alle Fette, viele Kalorien. Sie liefern aber auch lebensnotwendige Fettsäuren und Vitamin E.
Zucker und Salz einsparen
Mit Zucker gesüßte Lebensmittel und Getränke sind nicht empfehlenswert, setzen Sie Zucker lieber sparsam ein, ebenso Salz. Würzen Sie stattdessen kreativ mit Kräutern und Gewürzen! Zu viel Salz im Essen kann den Blutdruck erhöhen. Mehr als 6 g am Tag sollten es nicht sein.
Wenn Sie Salz verwenden, dann angereichert mit Jod und Fluorid. Zuckergesüßte Lebensmittel und Getränke sind meist nährstoffarm und enthalten unnötige Kalorien. Zudem erhöht Zucker das Kariesrisiko.
Am besten Wasser trinken
Trinken Sie rund 1,5 Liter jeden Tag. Am besten Wasser oder andere kalorienfreie Getränke wie ungesüßten Tee. Zuckergesüßte und alkoholische Getränke sind nicht empfehlenswert. Ihr Körper braucht Flüssigkeit in Form von Wasser. Zuckergesüßte Getränke liefern unnötige Kalorien und kaum wichtige Nährstoffe.
Der Konsum kann die Entstehung von Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 fördern. Alkoholische Getränke sind ebenfalls kalorienreich. Außerdem fördert Alkohol die Entstehung von Krebs und ist mit weiteren gesundheitlichen Risiken verbunden.
Schonend zubereiten
Garen Sie Lebensmittel so lange wie nötig und so kurz wie möglich, mit wenig Wasser und wenig Fett. Vermeiden Sie beim Braten, Grillen, Backen und Frittieren das Verbrennen von
Lebensmitteln. Eine schonende Zubereitung erhält den natürlichen Geschmack und schont die Nährstoffe.
Achtsam essen und genießen
Gönnen Sie sich eine Pause für Ihre Mahlzeiten und lassen Sie sich Zeit beim Essen. Langsames, bewusstes Essen fördert den Genuss und das Sättigungsempfinden.
Auf das Gewicht achten und in Bewegung bleiben
Vollwertige Ernährung und körperliche Aktivität gehören zusammen. Dabei ist nicht nur regelmäßiger Sport hilfreich, sondern auch ein aktiver Alltag, in dem Sie z.B. öfter zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren. Pro Tag 30 bis 60 Minuten moderate
körperliche Aktivität fördern Ihre Gesundheit und helfen Ihnen dabei, Ihr Gewicht zu regulieren.
Die lieben Kleinen: Undercover-Gemüse und Knabbernüsse
Sie haben „keinen Hunger“, „keine Zeit“ oder „keine Lust“ auf gesundes Essen: Kinder und Jugendliche würden am liebsten alle elterlichen Ratschläge in den Wind schreiben und sich vor allem von Pizza, Hamburgern und Softdrinks ernähren. In den meisten Fällen holen sie sich langfristig trotzdem, was sie für ihr Wachstum brauchen, meint der Berliner Kinder- und Jugendmediziner Ulrich Fegeler vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Deutschland. „Vorausgesetzt, es ist in Reichweite.“
Deshalb sollten Kühlschrank und Regale möglichst mit nahrhaften Snacks befüllt sein: „Nicht Chips, Salzstangen und Riegel, sondern lieber Studentenfutter, frisches Obst, Joghurt und Vollkornprodukte. Auch keine Softdrinks, sondern besser Mineralwasser und Milch, gelegentlich auch Fruchtsäfte ohne Zuckerzusatz.“ Auch die Ernährungswissenschaftlerin Silke Restemeyer von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung meint, dass Kinder durchaus zu vollwertiger Nahrung greifen, „wenn sie nicht immerzu mit süßeren, fetteren Alternativen gelockt werden – der Faktor Gewohnheit ist hier sehr stark.“ Besonders für Pubertierende sei Essen allerdings auch eine Sache von Protest, Befreiung und Selbstfindung. „Vielen erscheint das sogenannte Junk-Food dann besser als das Essen, das Mama oder Papa auf den Tisch stellen.“
Um sicherzustellen, dass der Nachwuchs auch während solcher „Protestphasen“ gut gerüstet aus dem Haus geht, sei ein vollwertiges Frühstück entscheidend: „Zum Beispiel Brötchen, Vollkorntoast oder Müsli, ruhig auch mit einem süßen Aufstrich oder ein paar ‚Knusperflocken‘ aufgepeppt, dazu Milch oder Kakao, vielleicht auch ein Stück Obst.“ Das bringe lang anhaltende Energie, ganz im Sinne des Spruches „morgens wie ein Kaiser, mittags wie ein König und abends wie ein Bürger.“
Wichtig sei bei alledem, dass der Speiseplan von Kindern und Jugendlichen langfristig, also über Monate hinweg, vollwertig sei. Wenn ein Kind zwischendurch mal tagelang nur Nudeln oder eine ganz bestimmte Wurst essen mag, ist das kein Drama, sondern völlig normal. Wer als Mutter oder Vater Ausgewogenheit zum täglichen Dogma erhebt, hat schon verloren, denn das provoziert Abwehr.
Allerdings gibt es für Eltern durchaus Möglichkeiten, den Nachwuchs auch während solcher Phasen „auszutricksen“, betont Ernährungswissenschaftlerin Restemeyer. Beispielsweise gebe es inzwischen so gut wie alle Nudeln auch als Vollkornvarianten, und in manch einer Soße lasse sich nahezu unbemerkt, sozusagen „undercover“, eine Portion püriertes Gemüse versenken. „Außerdem knabbern selbst Gemüseverweigerer zuweilen gern mal ein Stück Rohkost oder mundgerecht angebotene Obststückchen“, meint die Expertin.