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Weihnachtsfreuden neu denken!

Unwichtig, ob im säkularen oder kirchlichen Sinne: Das Weihnachtsfest lebt von seinen Traditionen. Sie sind es, die „alle Jahre wieder“ aufleben und uns ohne große Umwege hineinkatapultieren in diesen merkwürdig- magischen Schwebezustand kurz vor Ende des Jahres.

 

Ob es nun die schon Ende Oktober aufgebahrten Christstollen im Supermarkt, die allerspätestens Anfang Dezember voller Überzeugung in die Playlists der Radiosender gehobenen Weihnachtshits wie Last Christmas oder die eher zufällig entdeckten ersten Fensterdekorationen mit Sternen, Schlitten und besackten Weihnachtsmännern in aufgesprühtem Kunstschnee sind – wir wissen sofort und ganz genau, was die Stunde geschlagen hat. Doch in diesem Jahr wird es anders sein, das Fest der Liebe, der Besinnlichkeit und der Nähe. Wie genau, das hängt davon ab, wie es jeder Einzelne gestalten wird. Gerade hierin liegt aber auch eine Chance, ist Weihnachten doch sehr von offiziellen und inoffiziellen Ritualen umrankt. Für manch eine und einen kann das sehr belastend sein. Da ist ein frischer Wind vielleicht sogar eine willkommene Abwechslung – und der Boden, auf dem Neues gedeihen kann.

 

Von der lieben Verwandtschaft

Das erste Beispiel für eine kleine Reformation wäre die viel gerühmte Geselligkeit. Die ist wegen Corona zwar ohnehin schon eingeschränkt. Aber vielleicht fällt es uns dadurch auch leichter zu erkennen, mit wem wir wirklich feiern möchten. Schließlich bedeutet Weihnachten zumindest für die die Feierlichkeiten ausrichtende Partei meist enormen Stress. Sitzt dann noch der ewig nörgelnde Onkel auf der Couch oder die besserwisserische Cousine am Tisch, liegt zwischen Harmonie und Frust manchmal nur eine blöde Bemerkung. Natürlich geht es nicht darum, jemanden zu isolieren und in die Einsamkeit zu verbannen. Aber man sollte sich doch schon aussuchen dürfen, mit wem man die Festtage verbringen möchte. Wissen das auch der Onkel und die Cousine, bemühen sie sich vielleicht auch ein bisschen mehr um die allgemeine Festtagsstimmung. Gesundheitsexperten raten angesichts der Corona-Infektionsgefahr ohnehin zu kleineren Familienzusammenkünften. Insbesondere wenn auch ältere Semester mitfeiern, kann eine freiwillige und vorsorgliche vierzehntägige Quarantäne vor dem Weihnachtsbesuch sinnvoll sein. Für viele Arbeitnehmer, aber auch für Schüler dürfte das aber reine Utopie sein. Hier hilft nur, die Zahl enger persönlicher Kontakte nach Möglichkeit niedrig zu halten, um das Infektionsrisiko zu senken. Auf die inoffizielle Unternehmens-Weihnachtsfeier mit den guten Kollegen sollte man in diesem Jahr aus Gründen der Vorsicht in jedem Fall verzichten. So entstehen wenigstens auch keine kompromittierenden Fotos oder peinliche Momente der geistigen oder tatsächlichen Blöße.

 

Einmal im Jahr, dann aber nachhaltig

Ähnlich verhält es sich mit der Nachhaltigkeit. Denn betrachtet man Weihnachten einmal ganz nüchtern, soweit das überhaupt möglich ist, fehlt davon so ziemlich jede Spur. Bestes Beispiel hierfür ist wohl der Weihnachtsbaum, der je nach Größe meist zwischen 5 und 10 Jahren heranwächst, dann abgeholzt und geschmückt wird – bis er in der ersten Januarwoche den Gehweg vernadelt und schließlich im Müllauto landet. Noch bemerkenswerter ist das Verhältnis zwischen der Zeit des Wachsens und des Ausgestelltseins bei den Weihnachtsbäumen der größeren Städte: Die wachsen auch gerne mal 70 bis 100 Jahre lang, bis sie dann ihren glanzvollen, aber eben leider auch letzten Auftritt auf dem Markt- oder Rathausplatz haben. Dabei muss nach Weihnachten noch nicht Schluss sein! Haben Sie einen biozertifizierten Baum mit entsprechendem schriftlichen Nachweis gekauft oder geschlagen, können Sie diesen zum Beispiel dem örtlichen Zoo spenden. Dort dient er dann als Spielzeug oder Nahrungsmittel für Elefanten oder Kamele. Besonders gern vergnügen die sich übrigens mit Tannen und Fichten, nur so als kleiner Tipp.

 

Der künstliche Weihnachtsbaum als Kunst

Natürlich könnte man auch ganz einfach zum berühmt-berüchtigten künstlichen Weihnachtsbaum greifen. Die Vorteile: immergrün, nicht nadelnd, ein ebenmäßiger Wuchs und lagerfähig. Nun ist der künstliche Weihnachtsbaum aber weder das Nonplusultra der Ästhetik, noch der Nachhaltigkeit. Schließlich besteht das Baum-Surrogat in der Regel aus Kunststoff, das über Umwege irgendwann auch wieder als unfiltrierbares Mikroplastik durch die Weltmeere schwappt. Was könnte hier also die Lösung sein? Ein Vorschlag zur Güte: Wir machen es wie die Isländer und tun so, als wären Bäume bei uns Mangelware. Dann zimmern wir alte Latten und Äste zusammen und malen alles grün an, natürlich mit umweltfreundlicher Farbe. Anschließend müssen wir unser Werk nur noch stimmungsvoll schmücken. So ergibt auch dieser ewige, inoffizielle Wettstreit, wer den schönsten Baum hat, endlich mal Sinn. Das Motto: Ehrliche Anerkennung für ehrliche Arbeit! Und wer weiß, vielleicht ist der Weihnachtsbaum aus Handarbeit ja sogar so gelungen, dass er nach den Festtagen nicht auf dem Müll, sondern im Keller landet und von da an alle Jahre wieder hervorgeholt wird. Und der nadelig-frische Duft? Ein paar Tropfen Fichtennadelöl aufs Holz, fertig.

 

Bei der Verpackung ein Beispiel  am Weihnachtsmann nehmen

Aber auch in Sachen Verpackung könnten wir alternative Wege gehen. Schließlich landen Jahr für Jahr unzählige Tonnen an Verpackungsmaterial auf dem Müll, nachdem sie einige Sekunden bis maximal ein paar Stunden glänzen durften – und das ganz buchstäblich, denn viele Geschenkpapiere sind nicht einfach nur mit lustigen Farben bedruckt, sondern mit allerlei Lacken und Folien beschichtet. Im schlechtesten Fall landen diese Geschenkverpackungen dann auch noch im normalen Papiermüll, wo sie nun wirklich nicht hineingehören. Fragen wir uns also selbst: Auch wenn früher mehr Lametta war, wollen wir es denn wirklich wieder wie früher haben? Können wir uns das angesichts der stetig voranschreitenden Umweltzerstörung überhaupt leisten? Außerdem ist es doch auch schade, dass wir die Verpackungen von Geschenken ähnlich liebevoll behandeln wie ein Wolf den Schafspelz. Früher wurde Geschenkpapier gebügelt und mindestens noch ein weiteres Mal wiederverwendet. Das machte natürlich zusätzliche Arbeit, drückte doch aber auch jene Art von Wertschätzung aus, die wir heute manchmal vermissen. Aber wie wäre es denn dann alternativ wenigstens mit etwas Upcycling? Zum Beispiel könnte man die schönen Kalenderfotos des zu Ende gehenden Jahres durchaus noch als Geschenkverpackung nutzen. Oder man greift zur Zeitung und sucht sich die Blätter heraus, in denen es nicht gerade um Krieg und Verderben geht. Die ökologischsten Verpackungen sind jedoch zweifellos Naturmaterialien und Stoffe, die wiederverwendet werden können und selbst weggeschmissen die Umwelt nicht belasten. Seit Jahren richtig macht es daher der Weihnachtsmann: Der kommt immer mit demselben braunen Jutesack durch den Schornstein gefegt. Wie er aber all den Ruß immer wieder rausbekommt, bleibt wohl sein Geheimnis.

 

In der Küche darf ruhig auch mal experimentiert werden

Wahrscheinlich das größte Potenzial für Veränderung hat die kulinarische Seite von Weihnachten. Gleichzeitig kann man hier kaum etwas falsch machen und so auch niemanden wirklich vor den Kopf stoßen. Schließlich lassen sich die einen an Heiligabend ganz bodenständig Kartoffelsalat und Würstchen schmecken, während die anderen die Gans mit Knödeln und Rotkohl bevorzugen. Auch das Raclette, Käse- oder Fleischfondue und der Braten aus dem Römertopf werden gern gegessen, wahlweise an einem der beiden Weihnachtsfeiertage oder gleich an Heiligabend. Hier kann man also durchaus einfach mal alles durcheinander würfeln, ob nun die Gerichte, die Zutaten oder die Tage. Wer es mag, könnte zum Beispiel einmal vegetarische Weihnachten feiern. Eine weitere Möglichkeit: Ein Weihnachtsessen, das von der Küche des Nahen Ostens inspiriert ist. Hier spielen natürlich vor allem die passenden Kräuter und Gewürze eine wichtige Rolle. Aber keine Sorge: Die finden Sie entweder in Spezialitätenläden oder, und das wissen viele Menschen gar nicht, in Ihrer Apotheke. Auch dort kennt man sich mit Kräutern nämlich häufig bestens aus. Oder Sie fragen stattdessen bei Ihrem örtlichen Forstamt an, welches Wildfleisch an Weihnachten verfügbar ist. Das sollten Sie aber so früh wie möglich machen, denn erfahrungsgemäß wird das Angebot knapper, je näher das Weihnachtsfest rückt. Und auch bei den Snacks und Getränken sollte man vielleicht einfach mal das tun, wozu man eben Lust hat. Plätzchen in Coronaform? Na ja, vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber definitiv mal etwas anderes. Eiswein statt Glühwein? Warum nicht? Und sind wir doch mal ehrlich: Der bessere Wein wird es wohl ohnehin sein. Wichtig ist natürlich bloß, dass man es nicht übertreibt. Genuss: ja, Völlerei: nein! Sonst schmerzt entweder der Bauch oder der Kopf. Und konnten wir uns doch einmal nicht beherrschen, dann hält die hoffentlich gut sortierte Hausapotheke allerlei Mittel bereit, um uns schnellstmöglich wieder aufzurichten. Schließlich sorgt Mutter Natur gut für uns und hat für so ziemlich jedes Ziehen, Stechen und Kratzen ein linderndes Kraut parat. Gewürzt mit etwas Zimt und Nelken wird aus der Medizin dann sogar schnell ein stimmungsvoller Weihnachtstee.

 

Die Corona-Krise als Denkanstoß für Erneuerung

Nach all diesen, zugegebenermaßen nicht immer ganz ernst gemeinten, Ratschlägen für ein gelungenes Weihnachtsfest in Zeiten von Corona wollen wir noch einmal einen Blick auf die Kirchen werfen. Schließlich haben die schon die letzten Monate gerätselt, wie sie die Christmette und alle anderen Gottesdienste abhalten können. Nur zur Erinnerung: Nach dem Osterfest ist Weihnachten das wichtigste Fest des christlichen Glaubens. Und geht man alleine nach den Besucherzahlen der Gottesdienste, dann liegt das Weihnachtsfest vielerorts sogar noch vor Ostern. Die Ideen, wie die Gemeinde trotz Corona und AHA-Regeln gemeinsam Weihnachten feiern könnte, sind so unterschiedlich wie die Menschen dahinter.

 

Da gibt es beispielsweise diejenigen, die weg von einer zentralen Messe und hin zu einer Art „Weihnachtswanderung“ mit mehreren liturgischen Stationen wollen. Schließlich sei ja die Weihnachtsgeschichte selbst auch die Erzählung einer Wanderung. In diesem Sinne werden manche Gemeinden an unterschiedlichsten Plätzen wie beispielsweise Marktplätzen, in Sportstadien oder im Autokino feiern. Die Kirchen sollen aber dennoch geöffnet sein, und zwar als ein Ort der Stille, der Andacht und der Einkehr. Ergänzt wird dieses Angebot durch Livestreams, Fernsehgottesdienste und Social-Media-Angebote. Denn in einem sind sich die Kirchen und Gemeinden einig: Ein erneutes Verbot von gemeinschaftlichen Gottesdiensten über die Weihnachtsfeiertage wäre nicht nur ein spirituelles Desaster, sondern auch und vor allem ein menschliches.

 

Ein kleiner Weihnachtswunsch zum Schluss

Es soll nicht darum gehen, liebgewonnene Traditionen einfach über Bord zu werfen. Stattdessen sollten wir uns an diesem sehr besonderen Weihnachten fragen, wie wir selbst dieses Fest abseits all der überlieferten Rituale und Bräuche gestalten möchten. Welche bedeuten uns etwas, welche möchten wir nicht missen, und auf welche können wir getrost verzichten?

 

Vielleicht gelingt uns so ja auch, was sich viele Menschen wünschen: uns mehr auf den Gedanken hinter Weihnachten zu besinnen, Freundlichkeit und Mitgefühl zu leben und dankbar zu sein für die Geschenke des Lebens. Denn wofür man dankbar ist, das schätzt man. Und was man schätzt, sucht man zu bewahren.

 

 

 

 

 

 

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