Gesundheit
5 Fragen zum Thema „Verspannung und Mobilisierung des Rückens“ an Dr. Nicolas Gumpert
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5 Fragen zum Thema „Verspannung und Mobilisierung des Rückens“ an Dr. Nicolas Gumpert:
Warum unser Lebensstil buchstäblich auf unseren Schultern lastet
Herr Dr. Gumpert, der 15. März ist der Tag der Rückengesundheit. Ist das der endgültige Beweis, dass Rückenschmerzen eine Volkskrankheit sind?
Wenn man noch einen Beweis benötigt, könnte man das so sehen. Allerdings lässt sich das auch einfach anhand der Fakten nachweisen: Daten der Krankenkassen zeigen nämlich ganz deutlich, dass Rückenbeschwerden in Deutschland der häufigste Grund für eine Krankschreibung sind. Dabei handelt es sich vor allem um das sogenannte LWS-Syndrom, sozusagen ein Hexenschuss im Bereich der Lendenwirbelsäule. Darauf folgen dann Probleme der Halswirbelsäule wie Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich. Erst auf dem dritten Platz liegen psychologische Beschwerden wie Depressionen, Burn-out oder Angststörungen.
Wobei sich doch insbesondere Rückenbeschwerden wahrscheinlich auch auf die psychische Gesundheit auswirken, oder?
Natürlich, immerhin ist ein gesunder Rücken quasi der zentrale Pfeiler unseres Körpers und somit auch maßgeblich für das allgemeine Wohlbefinden. Leidet man nun ständig an Rückenbeschwerden, hat das auch negative Folgen insbesondere bezüglich der Lebensqualität. So sind Personen, die an chronischen Rückenschmerzen leiden, häufiger von einer negativen Grundstimmung betroffen, die mitunter auch in einer echten Depression münden kann. Das liegt vor allem daran, dass ein ständiger Schmerz samt den daraus resultierenden körperlichen Einschränkungen eine negative Wahrnehmung von sich selbst und der Außenwelt verstärkt.
Woran liegt es überhaupt, dass Rückenbeschwerden heutzutage so verbreitet sind?
Es gibt ja den schönen Spruch: Das viele Sitzen ist das neue Rauchen. Das heißt, unsere Gesellschaft ändert sich immer mehr hin zu einer Sitzgesellschaft. Mittlerweile verbringen wir nicht selten 40 bis 60 Stunden in der Woche sitzend, am Schreibtisch oder auf der Couch, im Auto oder in der Bahn. Das viele Sitzen führt nun dazu, dass wir unsere Muskulatur durch diese statische Belastung allmählich überfordern – bis es schließlich zu schmerzhaften Verspannungen kommt. Evolutionär ist ein solcher „Müßiggang“ nämlich gar nicht vorgesehen. Natürlich wäre es für uns, viel häufiger am Tag zwischen Gehen, Stehen und Sitzen zu wechseln. Auch hier könnte man die Statistik bemühen: Früher, als schwere körperliche Arbeit noch viel weiter verbreitet war, kam es überwiegend zu Problemen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Seit einigen Jahren verschiebt sich der Fokus aber zunehmend hin zu Beschwerden der Halswirbelsäule – eben, weil wir sowohl im Arbeitsalltag als auch in unserer Freizeit zunehmend mehr Zeit bewegungslos vorm Bildschirm verbringen.
Gibt es bei Rückenbeschwerden auch ein Altersgefälle?
Das gibt es tatsächlich – allerdings weniger in Bezug auf die Häufigkeit, sondern eher bezüglich der Art der Beschwerden. So leiden ältere Patientinnen und Patienten zum Beispiel häufiger an verschleißbedingten Beschwerden der Bänder, Sehnen und Kapseln, die nicht selten eine Folge der bereits erwähnten damals üblichen schweren körperlichen Arbeit sind. Jüngere leiden dagegen eher an muskulären Problemen aufgrund von Bewegungsmangel und andauernder statischer Belastung. Zur Verdeutlichung: Unser Kopf ist mit rund acht Kilogramm Gewicht relativ schwer. Vor allem bei der Arbeit am Bildschirm steht der Kopf allerdings etwas vor und liegt damit vor seinem Schwerpunkt. Der Kopf will also quasi immer nach vorne runterfallen. Und um das zu verhindern, spannt sich unsere Muskulatur im Kopf-, Nacken- und Schulterbereich an – was sie in vielen Fällen langsam, aber sicher überfordert. Gerade unter Corona-Bedingungen ist das noch einmal besonders deutlich geworden, weil viele Menschen vom meist gut ausgestatteten Büro ins deutlich weniger komfortable Homeoffice umziehen mussten.
Wie lässt sich ein verspannter Rücken im Alltag am schnellsten und effektivsten mobilisieren?
Wer unter einer muskulären Verspannung leidet, kann vor allem von regelmäßigen Dehnübungen profitieren, bei denen die Muskeln vorsichtig langgezogen werden. Ebenfalls empfehlenswert ist die progressive Muskelentspannung, bei der einzelne Muskelregionen abwechselnd angespannt und entspannt werden. Wichtig ist dabei, es nicht zu übertreiben. Schon ein paar Minuten alle paar Stunden reichen aus, um einer Muskelverspannung vorzubeugen. Wer dagegen zu verbissen entspannt, könnte das Problem eventuell erst heraufbeschwören oder sogar verschlimmern.
Vielen Dank für dieses Interview, Herr Dr. Gumpert!
Autor:
Dr. Nicolas Gumpert
Kaiserstraße 14
60311 Frankfurt am Main
Tel.: 069 24753120
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